Eigentlich bin ich ja im Urlaub und eigentlich geht mir die ganze Street View Diskussion so lansam mal etwas auf dem Senkel, aber aus irgendeinem Grund fühlt sich Marcus Schwarze von der HAZ ausgerechnet von meinem Tweet auf den Schlips getreten.
Ich hatte mich ein wenig über die Recherchetalente der HAZ lustig gemacht: die Zeitung hatte die Information, dass Google auf seinen Street View Autos auch Laserscanner einsetzt groß und breit auf Seite eins präsentiert. Aufmerksam geworden darauf war ich durch einen Artikel auf Tagesschau.de.
Ich fände es jetzt müßig, darauf einzugehen, ob und wie der Artikel versucht zu suggerieren es handle sich um niegelnagelneue Exklusivinformationen und nicht um bereits seit Jahren bekannte.
Vielmehr möchte ich auf die Panikmache eingehen, die seit einigen Wochen in Sachen Google betrieben wird. Dieses ewige Aufwärmen der immer gleichen Hysterie.
Da macht jemand Fotos von meinem Haus!
Bis zum heutigen Tag konnte mir niemand sagen, was daran ein Problem sein solle. Was daran verwerflich sein soll, die Außenseite eines Hause zu fotografieren. Denn es ist ja die Aufgabe einer Hauswand, das Drinnen, also das Private vom Draußen, vom Öffentlichen zu trennen. Eine Fotografie dieser Hauswand ist also kein Verstoß gegen die Privatsphäre.
Die nächste Hysteriestufe war die Tatsache, dass Google es tatsächlich auch noch wagt bei dieser Gelegenheit nach WLAN Netzen zu suchen. “Der Name eines WLANs ist Privatsache und erlaube Rückschlüsse auf seinen Besitzer!” wurde da gepoltert. Ernsthaft? Es gibt da draußen jemanden, der seinem WLAN einen Namen gibt, aber nicht weiß, das seine Nachbarn diesen Namen auch sehen können?
Als nächstes ging es um die Tatsache, dass Google beim Scannen der WLANs bröckchenweise private Kommunikation aufgezeichnet haben könnte.
Leider wurde an dieser Stelle vergessen darauf hinzuweisen, dass bei einem offenen WLAN nicht nur Google sondern auch der neugierige Nachbar jede Verbindung nach belieben mitschneiden und jede Email mitlesen könnte, dass also das Einschalten einer Verschlüsselung sowieso eine ganz gute Idee wäre, wenn nicht sowieso vorhanden. Auch wurde nicht gesagt, dass schon die reine Geschwindigkeit der Google-Autos ein ernsthaftes Mitscheinden der Informationen verhindert.
Und dann der Laser. Es passt einfach zu gut. So wie Dr. Evil die Welt immer mit einem Laser vernichten wollte, so will Google uns jetzt alle mit seinen Lasern einscannen.
Jede dieser Techniken wurde schon von anderen Firmen eingesetzt. Schon in den 90ern fotografierten Firmen ganz Deutschland ab, um die Bildersammlungen dann zu verkaufen. Schon seit Jahren scannen Firmen WLAN Netze, um die gewonnenen Informationen dann zur besseren und schneller Positionierung von Telefonen und anderen Gadgets einzusetzen. Seit Jahren hat sich absolut niemand für solche Tätigkeiten interessiert, und sie bestenfalls belustigt zur Kenntnis genommen.
Warum also jetzt die ganze Aufregung? Der Gedanke liegt nicht fern, dass das etwas damit zu tun haben könnte, das sich Google, der erklärte Zweitlieblingsfeind* der Deutschen Verlage, neuerdings — also seit ein paar Jahren — mit dem Thema befasst.
Das schlimmste ist jedoch, dass ein eigentlich ernstes Thema, der Datenschutz, durch diese Panikmache komplett diskreditiert wird. Wir befinden uns mitten in einer spannenden Diskussion über die Grenzen des Privaten, wie viel unseres Intimbedürfnisses rein kulturell begründet ist, wie viel Information der Staat öffentlich machen soll. Können wir es zulassen, dass einzelne Giganten wie Google oder Facebook über so viel Wissen verfügen? Dürfen wir zulassen, dass sie die einzigen sind, die dies tun, oder sollten solche Informationen nicht jedermann zur Verfügung stehen? Diese Thema ist viel zu interessant und zu wichtig, um es von “DIE HABEN EINEN LASER!!!!111!!"-Gebrüll kaputt machen zu lassen.
Über diese Sensationsgeilheit wollte ich mich ein wenig lustig machen. Der Reaktion nach habe ich getroffen.
*der Hauptlieblingsfeind ist die Kostenloskultur.