Gestern Abend bin ich einer freundlichen Einladung der Telekom gefolgt um bei Wein & Schnittchen das neue Windows Phone 7 von Microsoft auszuprobieren. Seit der Einführung des iPhones schien sich Microsoft in einer Art Totenstarre zu befinden – keine Reaktion auf iPhone, Android und WebOS gab es durch den Konzern. Und nun sowas! Wie aus dem nichts kommt Microsoft plötzlich mit einem innovativen, schnellen, ansprechenden und benutzerfreundlichem Telefon. Ich bin beeindruckt. Sehr sogar.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: das neue OS ist kein Grund sein iPhone wegzuwerfen, dafür hat es noch zu viele offensichtliche Macken, angefangen schon beim absurd langen Namen: “Hey, schau mal, ich hab das neue HTC 7 Mozart mit Windows Phone 7”. Aber eine Frage drängte sich mir schon als ich dieses Gerät in der Hand hielt: Was hat Google eigentlich all die Jahre gemacht?
Als Android auf den Markt kam, wurde das OS mit Vorschusslorbeeren geradezu überhäuft: klar, sieht Scheiße aus, der Akku hält kaum einen Tag, aber hey: immerhin eine Alternative zu Apple, eine offene sogar, und scheiße Aussehen ist ja auch ganz süß, jeder kennt doch diese Hunde, die total scheiße aussehen und trotzdem süß sind. Und hab ich schon erwähnt, dass es offen ist?
Fast drei Jahre ist das nun her, aber getan hat sich nicht sonderlich viel. Die On-Screen Tastatur tippt nach wie vor nicht was man möchte, der Akku hält kaum länger und die GUI ist mit “ruckelt nicht mehr ganz so unerträglich” noch am besten umschrieben. Nach wie vor ist die Auswahl der Programme eher mau und deren Qualität nicht sonderlich hoch.
Eine der Widerlichkeiten, die Android seit dem ersten Tag mit sich herumschleppt ist die Positionierung des Textcursors: wo beim iPhone eine praktische Lupe beim Finden der richtigen Textstelle hilft, muss man unter Android komplett blind die richtige Stelle treffen. Mit Fug und Recht könnte man es als Kundenverarsche bezeichnen, dass Google es seit drei Jahren nicht für nötig hält diese Situation zu verbessern, aber vielleicht gab es ja einfach keine Lösung, die nicht Apples Patente verletzen würde?
Lange glaubte ich, dass nur die Hersteller unfähig seien, Android wirklich gut zu nutzen – anders konnte ich mir nicht erklären, warum zum Beispiel die iPhone Tastatur um so vieles besser ist als die Android Tastatur. Seit gestern weiß ich nun: es ist nicht die Hardware, es ist das OS. Denn auf dem Windows-Zwillingsbruder des HTC Nexus One, dem HTC Mozart, funktioniert die Tastatur plötzlich nahezu perfekt. Auch Animationen laufen flüssig und ruckeln nicht mehr.
Sogar für das elendige Textcursor-Positionierungs-Problem hat Microsoft eine elegante, einfache Lösung gefunden, die der von Apple in nichts nachsteht und Android noch ein wenig blasser und älter dastehen lässt.
Bisher konnte es sich Google erlauben, ein so schlechteres Betriebssystem anzubieten. Schliesslich war es deutlich günstiger und irgendwie auch offener als das des übermächtigen Konkurenten. Dies dürfte sich nun aber sehr schnell ändern: Microsoft wird schon dafür sorgen, dass der Markt Überschwang wird von billigen Windows Telefonen. Und von der vielbeschworenen Offenheit von Android blieb bei den ganzen Einschränkungen durch Telefonhersteller und Carrier eh noch nie viel übrig.
Wenn Google in Sachen Usability, Geschwindigkeit und Originalität nicht sehr schnell sehr viel nachlegt, könnte der Höhenflug von Android genau so schnell wieder vorbei sein, wie er begonnen hat.
Hier noch ein paar unscharfe & verwackelte Videos von meinen allerersten Eindrücken gestern Abend. Noch ein paar mehr gibts in meinem YouTube Kanal.
Startbildschirm, Apps anpinnen:
Textcursor-Positionierung:
Die zensierte Bing Suche und wie man sie umgeht:
Der Wecker:
Excel, Word, Tastatur:
die nervig springende Tastatur: